BELEUCHTET - Laternen, die lernen

Die multifunktionalen Computer von ICE Gateway helfen Städten auf dem Weg zur Smart City. In einem Stadtteil von Prag sind bereits 100 Laternen mit der „klugen“ Technologie installiert.
In der Stadt der Zukunft werden Straßenlaternen vielleicht nicht selbst denken können, aber in jedem Fall dazulernen. Die Technik dafür haben Ramin Lavae Mokhtari und sein Unternehmen ICE Gateway mit Sitz in Berlin-Adlershof. Ihre sogenannte ICE Box ist ein multifunktionaler Computer, der mit seiner geringen Größe spielend in einen Laternenmast passt. Dort kann er nicht nur das Licht steuern, sondern beispielsweise einen Sensor an der Laterne, der die Verkehrsauslastung erfasst, oder merkt, ob in der unmittelbaren Nähe gerade ein Parkplatz frei ist. Diese Daten können die Stadtplanung wesentlich effizienter machen und den Menschen das Leben erleichtern.
Ramin Lavae Mokhtari hat vor der Gründung von ICE Gateway für verschiedene US-Firmen gearbeitet, dann als Venture-Capital-investor für die deutsche Telekom in Kalifornien
Ramin Lavae Mokhtari hat vor der Gründung von ICE Gateway für verschiedene US-Firmen gearbeitet, dann als Venture-Capital-investor für die deutsche Telekom in Kalifornien
„Lernfähig ist die Laterne, weil uns die ICE Box erlaubt, jederzeit weitere Funktionen ohne großen Aufwand zuzuschalten“, sagt Geschäftsführer Mokhtari. „So gesehen steckt in der Laterne Intelligenz, und das macht unsere Lösung der dezentralen Endgeräte nachhaltig.“ Welche Informationen die Computer in den Laternen erfassen und an das Hosting-Center melden, entscheide letztlich die Stadt – abhängig davon, welche Daten sie erfassen darf und möchte. Gleiches gilt für die Funktionen, die sie den Bürgern anbietet – etwa Wifi, ein städtisches Intranet mit Informationen über die Umgebung des aktuellen Standortes oder die Laterne als Notrufsäule.

Doch für ICE Gateway bedeutet Smart City nicht, dass man auf digitalen Anzeigen oder Smartphones schauen kann, ob der Bus Verspätung hat, sondern dass der Bus immer pünktlich ankommt. Laut Mokhtari müssten Smart-City-Lösungen die Stadt lebenswerter machen und nicht nur die Probleme offenbaren. Das kann durch Daten und Erkenntnisse zum Verkehrsaufkommen in der Stadt gelingen – sofern die Stadt die richtigen Schlüsse daraus zieht.

ICE Gateway konnte für seine Vision der Smart City bereits die tschechische Hauptstadt Prag gewinnen. Im Stadtteil Prag 8 durfte das Berliner Start-up 100 Laternen auf neue LED-Leuchten und seine ICE Box umrüsten. „In der Regel amortisiert sich unsere Technik über die Energieeinsparung der Leuchtmittel innerhalb von circa fünf Jahren“, sagt LED-Experte Mokhtari. Die Beleuchtung sei ressourcenschonend, weil die Laterne erkenne, wie hell oder dunkel es ist. Die benötigte Lichtmenge werde entsprechend angepasst. Für den 56-Jährigen ist Prag 8 nur ein erster Schritt: „Ich sehe gute Chancen, dass wir die Laternen der gesamten Stadt ausstatten können.“ Hilfreich für den Gewinn der Ausschreibung könnte sein, dass die tschechische J&T Bank einer von drei Investoren ist, die ICE Gateway unterstützen.
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Das Marktpotenzial
für das Berliner Start-up ist gewaltig: Allein in Deutschland gibt es knapp zehn Millionen Straßenlaternen. Die Wartung, Unterhaltung und der Strom der heutigen Leuchten belaufen sich im Schnitt auf 100 Euro im Jahr. „Entsprechend groß ist das Einsparpotenzial für Kommunen, wenn sie auf LED-Technik umstellen“, betont Ramin Lavae Mokhtari. In Adlershof, auf den Grundstücken der WISTA Management GmbH, sind bereits 160 der klugen Laternen installiert worden.

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Ab 2019 müsse sein Unternehmen schwarze Zahlen schreiben, stellt er klar. Die entscheidende Leistung von ICE Gateway stecke in dem mehr als 6 Gigabyte großen Code, mit dem jede ICE Box bespielt werde. Die einzelnen Bauteile für die ICE Box, Sensoren und LED-Leuchten produzieren die Berliner derweil nicht selbst, sondern kaufen sie zu – in sämtlichen Preisklassen, je nach Vorstellung des Kunden. „Wir selbst haben aber mehr als drei Jahre Zeit in die Entwicklung unserer Infrastruktur investiert und haben nun eine Technik, die erkennt, dass jemand an der Laterne vorbeigeht oder fährt, aber nicht feststellt, wer genau das ist“, erklärt Mokhtari.

Sensible, persönliche Daten würden anders als von konkurrierenden Unternehmen, die mit Kameras arbeiteten, erst gar nicht generiert. Gerade in diesen Wochen der allgegenwärtigen Datenschutz- Debatten fühle er sich bestätigt, dass ICE Gateway frühzeitig auf eine ausgefeilte lokale Datenverarbeitung gesetzt habe, anstatt ständig alle Daten versenden zu müssen. „Aber natürlich wären wir auch in der Lage, auf Kameras zu erweitern, sofern eine Stadt das wünscht“, sagt Mokhtari.

ICE Gateway GmbH

gegründet: 2013
Mitarbeiter: 20
Umsatz: Markteintritt 2018
www.ice-gateway.com

Aktuell beschäftigt das Unternehmen 20 Mitarbeiter, zehn davon am Hauptsitz in Adlershof. Das Start-up arbeitet außerdem eng mit dem Institute for Communication Technologies and Embedded Systems (ICE) der Rheinisch-Westfälisch Technischen Universität Aachen zusammen. Institutsdirektor Professor Gerd Ascheid hat ICE Gateway gemeinsam mit Ramin Lavae Mokhtari gegründet und ist ebenfalls Geschäftsführer des Unternehmens.

Mokhtari, der in Potsdam lebt, pendelt bereitwillig jeden Tag gut eine Stunde hin und zurück: „Der Standort passt so gut zu uns, dass ich das wirklich gerne in Kauf nehme.“ Adlershof biete mit seinen Tech-Start-ups etwa aus den Bereichen Mobilität, Sensorik und Streaming ein ideales Umfeld für ICE Gateway. „Hier finden wir die richtigen Köpfe und können Partnerschaften mit anderen Unternehmen knüpfen, die uns voranbringen.“
Rainer Behrens
Fotos: AB

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