TREIBSTOFFE - Die Wasserspalter setzen auf grüne Energieträger

Das Start-up Graforce Hydro produziert aus Abwasser Treibstoff für Autos und Gasturbinen. Tankstellen für Pkw nutzen dabei zunächst eine Brückentechnologie mit einem Gemisch aus Biogas und Wasserstoff.
Das Wasser wird einmal die Kohle der Zukunft sein, hat Jules Verne 1875 in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“ geschrieben. Fast anderthalb Jahrhunderte später arbeitet Jens Hanke im Wissenschaftspark Adlershof daran, dass diese Prophezeiung wahr wird. Mit seinem Unternehmen Graforce Hydro hat der 52-Jährige eine Technologie entwickelt, mit der sich aus Abwasser Wasserstoff gewinnen lässt. Plasmalyseur haben die Berliner das Gerät genannt, mit dem sie das Wasser in seine Bestandteile aufspalten. „Wir legen ein hohes elektrisches Feld an und erzeugen so auf der Wasseroberfläche ein Plasma, das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff teilt“, erklärt Geschäftsführer Hanke. „Mit dem Wasserstoff gewinnen wir einen grünen Energieträger, der beispielsweise als Anteil im Autotreibstoff spürbar die Schadstoffemissionen senkt.“

2010 haben der Mathematiker und zwei Mitstreiter Graforce Hydro in Wittenberg in Sachsen-Anhalt gegründet, 2012 zog das Unternehmen um nach Adlershof. „Der Standort ist für uns enorm attraktiv, weil wir hier Plasmaphysiker und Maschinenbauer finden und weil die Unternehmen und Forschungseinrichtungen hier nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten“, schwärmt Hanke. Sich bei Bedarf einen Laser oder ein Hochfrequenzgenerator einfach leihen zu können, sei für ein Start-up in der Entwicklungsphase ein unbezahlbarer Vorteil.
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Es sind allerdings keine reinen Wasserstofftankstellen, die Graforce Hydro baut. „Die benötigen einen Kompressor mit 850 bar, kosten deshalb rund 1,5 Millionen Euro und sind damit viel zu teuer, um sie in großer Zahl wirtschaftlich betreiben zu können“, betont Jens Hanke. Die Berliner setzen stattdessen auf eine Brückentechnologie, ein Gemisch aus Biogas und Wasserstoff. „Das benötigt nur 200 bar Druck und vergünstigt die Kosten für die Tankstelle erheblich“, sagt Hanke. Autos, die statt Benzin einen Treibstoff aus 70 Prozent Biogas und 30 Prozent Wasserstoff verbrennen, stießen immerhin schon ein Drittel weniger CO2 und sogar fast zwei Drittel weniger Stickoxide aus.

Langfristig plant Graforce Hydro, den Biogasanteil durch synthetisches Methan zu ersetzen. Auch das können die Berliner mittels ihres Plasmalyseurs schon aus besonders kohlenstoffhaltigem Wasser gewinnen. „Ideale Quellen sind für uns etwa ein Holzpelletkraftwerk, das Kondensatwasser mit hohem Kohlenstoffanteil produziert, oder ein Klärwerk, dessen Zentratwasser einen hohen Ammoniumanteil hat“, nennt Jens Hanke als Beispiele. Aus Sondermüll entstünde so ein grüner Treibstoff, der sich nicht nur für Autos, sondern auch für den Betrieb eines Gasturbinenkraftwerks nutzen ließe.
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Das Geschäftsmodell
von Graforce Hydro trifft zweifellos den Zeitgeist und hat dem Start-up einen finanzkräftigen Investor beschert. Ein deutsches Familienunternehmen, dessen Name Jens Hanke nicht preisgeben möchte, habe bisher einen zweistelligen Millionenbetrag beigesteuert. Auf Forschungsmittel oder andere Fördergelder hat Graforce Hydro dagegen bisher verzichtet. „Aus meiner Sicht sind die Anträge und Bedingungen für junge Technologieunternehmen sehr aufwendig“, sagt Hanke.
„Die Herstellung des Treibstoffes ist auf jeden Fall wirtschaftlich“
Jens Hanke
ist Geschäftsführer von Graforce Hydro. Der gebürtige Berliner ist Diplom-Mathematiker und Doktor der Theoretischen Medizin

Den entscheidenden Schritt aus dem Labor hat Graforce Hydro inzwischen gemacht: In Sichtweite des Firmensitzes steht die erste von drei geplanten Referenzanlagen, in der ein Plasmalyseur arbeitet und an der Autos mit entsprechendem Erdgas-Antrieb tanken können. „Die Herstellung des Treibstoffes ist auf jeden Fall wirtschaftlich“, betont Hanke. Um per Plasmalyse ein Kilogramm Wasserstoff herzustellen, würden 41 Kilowattstunden Strom benötigt. Mit Blick auf den Energiegehalt des Wasserstoffs entspreche das einem Wirkungsgrad von 75 Prozent. Ist das Wasser stark ammoniakhaltig wie etwa aus dem Faulturm eines Klärwerks, steigt die Energieeffizienz laut Hanke sogar auf 80 Prozent. Als zukünftige Kunden hat Graforce Hydro vor allem Energieversorger, Stadt- und Klärwerke im Blick. Als Unterstützer konnte das innovative Unternehmen unter anderem schon den Automobilhersteller Audi gewinnen. Für Anfang Juli ist die offizielle Einweihung der ersten Tankstelle von Graforce Hydro in Adlershof geplant. Bis dahin tankt schon einmal Nils Hanke seinen umgerüsteten Porsche Cayenne dort. Er habe sich extra ein weniger umweltfreundliches Auto gekauft, um mit dem neuen Treibstoff einen entsprechend großen Umwelteffekt zu erzielen, erklärt Hanke.

Graforce Hydro GmbH

gegründet: 2010
Mitarbeiter: 19
Umsatz: Entwicklungsphase
www.graforce.de

2020 wird das Unternehmen dann seine bisherigen Geschäftsräume im Zentrum für Erneuerbare Energie und Photovoltaik räumen müssen. Der Mietvertrag ist auf acht Jahre begrenzt. Als Graforce Hydro 2012 eingezogen ist, habe er sich gefragt, wer eigentlich Johann Hittorf ist, dessen Namen die Straße trägt, in der das Zentrum liegt, erzählt Nils Hanke. Die Recherche habe ihn verblüfft: Der 1824 geborene und 1914 verstorbene Physiker und Chemiker Johann Wilhelm Hittorf hat umfangreiche Forschungen zur Plasmalyse betrieben und sogar ein Buch darüber veröffentlicht. Gut möglich, dass auch Hittorf die Prophezeiung zur Rolle des Wassers von Jules Vernes kannte. Beide Bücher gibt es im Eingangsbereich von Garforce Hydro zu sehen. Dort, wo gerade schon das neueste Kapitel in dieser Sache geschrieben wird.
Rainer Behrens
Foto: Graforce H.

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