DER KLÜGSTE KIEZ BERLINS - Wie aus Wissenschaft Wirtschaft wird

Technologieparks sind immer auf der Suche nach Lösungen für einen komplizierten Auftrag: Gerade in Umbruchzeiten sollen sie ein Zeichen setzen für eine wirtschaftliche und technologische Zukunftsperspektive. In Berlin gelingt das.
Technologieparks werden oft aus der Not geboren: Wenn alte industrielle Fundamente wegbröckeln oder, wie 1989 in Berlin, gleich ganz weggefegt werden. Nicht anders war das in Berlin mit Adlershof, Deutschlands mittlerweile größtem Wissenschafts- und Technologiepark. In den 1990er Jahren war diese Erfolgsgeschichte mitnichten absehbar. Das war sie auch nach zehn Jahren noch nicht, nach 15 vielleicht, nach 20 bestimmt. Jetzt, nach 27 Jahren, prognostizieren die Verantwortlichen der WISTA-Management GmbH, die als landeseigene Gesellschaft den Technologiepark betreibt, für das Jahr 2020 rund 20.000 Beschäftigte und vielleicht 1.200 Unternehmen – sofern die Konjunktur keinen Strich durch die Planungen macht.

Adlershof liegt im südöstlichen Zipfel der Hauptstadt – für manche Berliner „janz weit draußen“. Adlershof war zu DDR-Zeiten eines der wichtigsten naturwissenschaftlichen Forschungszentren Ostdeutschlands. Der Standort genoss einen guten Ruf in der Optik, in der Chemie, in der Material- und nicht zuletzt auch in der Weltraumforschung. In Adlershof arbeiteten 1989 auf dem Gelände der Akademie mindestens 5.500 Menschen, streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit.

Nach dem Mauerfall wurde das Gelände 1991 der Stadt Berlin übergeben und stand zur Disposition. Die Gutachter waren von der Qualität der Forschung beeindruckt, aber am Ende konnten nur 1.300 Beschäftigte ihre bisherige Arbeit in aus der DDR-Akademie hervorgegangen Instituten fortsetzen. Die anderen mussten sich entweder neue Jobs suchen oder aber eine Firma gründen. Schnell wurde klar, dass neue Industrien im unmittelbaren Umfeld der Wissenschaft entstehen müssen, denn hier verfügt Berlin mit seinen fast 60 Forschungseinrichtungen über ein einzigartiges Angebot.
Insofern war es klug und konsequent, in Adlershof eine „integrierte Landschaft aus Wirtschaft und Wissenschaft“ entstehen zu lassen. Ein entsprechender Protokollvermerk vom März 1991 ist gleichsam die Geburtsurkunde von Adlershof. 1991 entschied das Land Berlin außerdem, die naturwissenschaftlichen Institute der Humboldt- Universität zu Berlin (HU) nach Adlershof zu verlagern, um, wie es hieß, die „Wissenschaftsdichte“ zu erhöhen.

Der wirtschaftliche Aufbau Adlershofs kam einem Neubeginn gleich. Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften wagten als erste den Weg in die Selbstständigkeit, weil sie ihre Jobs verloren hatten, sie wussten aber, was sie konnten und erkannten ihre Chance als Unternehmer. Im nächsten Schritt brauchte es ein Gründerzentrum, also „betreutes Unternehmertum“, wo die jungen Unternehmen aus den Startlöchern kommen. Dazu gibt es als weiteren Service einen besonderen Gebäudetyp: vorausgestattete, moderne Technologiezentren, „Turbolader“ für hochspezialisiertes Unternehmertum. Eine solche Aufgabe übernahm die WISTA als landeseigene Gesellschaft. Das Bundesland Berlin übereignete der Gesellschaft Grundstücke und andere Vermögenswerte.

Dieses Modell hat Schule gemacht.
Die WISTA und ihre Tochterfirmen sind mittlerweile vielerorts in der Standortentwicklung der Hauptstadt aktiv:

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Das Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) hat seinen Sitz an der Bismarckstraße im ehemaligen Gerling-Haus, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Technischen Universität Berlin (TU) und der Universität der Künste Berlin (UdK).

Fubic heißt das entstehende Technologie- und Gründungszentrum im Berliner Südwesten (Dahlem). Es ist ein „Business and Innovation Center next to Freie Universität Berlin Campus“, bietet Platz für technologieorientierte Start-ups und junge Unternehmen. Der thematische Fokus liegt auf den Bereichen Life-Sciences, Gesundheitswirtschaft sowie Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Fertigstellung ist für Ende 2021 geplant.

Berlin.TXL – The urban Tech Republic nennt sich der Forschungs- und Industriepark für die Stadt der Zukunft. Er wird auf dem Gelände des Flughafens Tegel entstehen, der geschlossen werden soll, wenn der internationale Flughafen BER den kompletten Flugverkehr der Hauptstadt übernommen hat.

Seit 2011 engagiert sich ein Team der WISTA Management GmbH im Regionalmanagement Schöneweide erfolgreich um die Entwicklung des traditionsreichen Industrieareals im Umfeld der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin). Auftraggeber sind der Bezirk Treptow-Köpenick von Berlin sowie die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Seit Oktober 2017 fallen beim Regionalmanagement Berlin Südost weitere Gewerbestandorte in den Aufgabenbereich des Teams. Darüber hinaus leitet die WISTA die Innovationswerkstatt Schöneweide, eine Kooperationsplattform für Berliner Unternehmen sowie Studenten und Professoren der HTW Berlin. Außerdem hat das Unternehmen eine Machbarkeitsstudie für ein Innovations- und Technologiezentrum Industrie 4.0 (ITZ 4.0) erarbeiten lassen.

In Adlershof sind heute rund 1.100 Unternehmen ansässig, darunter mehr als 400 hochspezialisierte Technologiefirmen. Viele Unternehmen sind noch klein, beschäftigen im Durchschnitt gerade mal 16 Mitarbeiter. Das jährliche Wachstum liegt allerdings seit Jahren schon weit über dem Durchschnitt. Zuletzt (2017) legten im Wissenschafts- und Technologiepark die Umsätze der dort ansässigen 523 Unternehmen um 7,5 Prozent und die Zahl der Beschäftigten um 6,3 Prozent zu. Der Anteil öffentlicher Förderung an den Umsätzen spielt inzwischen keine Rolle mehr; auch ist die Insolvenzquote mit zwei Prozent extrem niedrig. Rund 140 beanspruchen für sich die Technologieführerschaft, über 40 bezeichnen sich sogar als Marktführer (im gesamten Adlershofer Entwicklungsgebiet sind es sogar 85).

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Gründerzentren

Die von der WISTA errichteten Gründer- und Technologiezentren sind sozusagen die DNA von Adlershof. In den Technologiezentren können Start-ups und junge etablierte Unternehmen ihre Geschäftsideen entwickeln oder weitertreiben. Auf dem Campus gibt es fünf Technologiezentren in den Bereichen Photonik / Optik, Mikrosysteme / Materialien, IT / Medien, Biotechnologie / Umwelt und erneuerbare Energien / Photovoltaik. Daneben betreibt die WISTA zwei Gründerzentren: Hier stehen besonders günstige Rahmenbedingungen im Mittelpunkt, um junge und innovative Firmen zu unterstützen.
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Wohnen

Um dem Areal Atmosphäre und Urbanität zu verleihen, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Wohnprojekte umgesetzt. Studenten, Wissenschaftler oder Mitarbeiter der vielen Unternehmen finden hier mittlerweile Angebote, um direkt im Umfeld der Arbeitsplätze oder Institute zu leben. Die Adlershof Projekt GmbH plant diesen Wohnungsbau und will auf dem gesamten Areal Adlershof im Endausbau rund 5000 Wohnungen realisieren. Im Umfeld vom Campus der Humboldt- Universität entstanden fast 2000 Wohneinheiten, davon 400 für Studenten. Geschäfte, Cafes, zahlreiche Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten auch in direkter Nachbarschaft der Wissenschaftsstadt machen das Gebiet im Südosten Berlins mittlerweile attraktiv. Unser Foto zeigt eine Wohnstraße auf dem Campusgelände mit Blick auf den Trudelturm, einem Wahrzeichen im Aerodynamischen Park.

In Adlershof ist viel Geld investiert worden. In den Jahren 1991 bis 2005 waren es rund 1,3 Milliarden Euro. Rund 80 Prozent der Gelder stammten aus den verschiedensten öffentlichen Quellen. Seit 2005 sind mehr als 800 Millionen Euro investiert worden, rund 70 Prozent davon kommen aus privaten Quellen. Aus Adlershof fließen heute dem Land Berlin jährlich mehr als 200 Millionen Euro an Steuermitteln zu, auf jeden geschaffenen Arbeitsplatz kommt ein weiterer in Berlin.
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Universität

Die Humboldt-Universität zu Berlin bietet mehr als 38.000 Studierenden ein Fächerspektrum von den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften über die Agrar- und Naturwissenschaften bis zu der an der Charité angesiedelten Humanmedizin. Die Institute für Chemie, Geographie, Informatik, Mathematik, Physik und Psychologie mit momentan rund 6700 Stunden haben ihren Sitz in Adlershof. Das moderne Erwin Schrödinger-Zentrum mit der Zweigbibliothek Naturwissenschaften und dem Computer- und Medienservice bietet Service für Lehre und Forschung. Das Integrative Research Institute for the Sciences (IRIS) verzahnt die HU mit außeruniversitärer Forschung und Unternehmen.
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Forschung

Die Institute der außeruniversitäten Forschung sind im Wissenschaftspark über das ganze Areal verteilt. 3DFernsehen, supereffektive Solarzellen, staufreie Autobahnen, ultrascharfe Mars-Kameras, hellstes Licht für Megamikroskope, sparsamstes Licht aus neuen Leuchtdioden, reinstes Silizium - abgezählt bis auf‘s Atom: An derartigen Themen wird in den zehn Instituten der außeruniversitären Forschung gearbeitet. Insgesamt arbeiten mehr als 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen, davon sind 1000 aktiv in der Wissenschaft tätig. Koordiniert wird diese Arbeit vom regionalen Netzwerk IGAFA, das auch Synergien zu Universitäten und Unternehmen schafft. Unser Foto zeigt eine neue Einrichtung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.
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Medien

Adlershof ist auch Berlins größter Medienstandort. Auf dem einstigen Gelände des DDR-Fernsehens haben sich heute 147 Unternehmen mit rund 2.400 Mitarbeitern angesiedelt – eine vielfältige Szene vom Synchronstudio bis zum Kostümfundus. Hier produziert die Berlin-Adlershof GmbH unter anderen auch TV-Sendungen wie „Anne Will“ und das TV-Duell der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl, zuletzt 2017. Im Studio Berlin entstehen zudem viele andere TV-Formate. Direkt angrenzend an die Medienstadt haben sich viele Unternehmen der Informationstechnologie angesiedelt, darunter Rhode & Schwarz, Siemens und viele andere Firmen.

Sieben Quartiere

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Kleine Historie Adlershof

Der Startschuss für Adlershof als Technologiestandort fiel 1909 mit Eröffnung des ersten deutschen Motorflugplatzes. Bis 1945 war das Areal Zentrum der deutschen Luftfahrtforschung. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten dort die DDR-Akademie der Wissenschaften, der Deutsche Fernsehfunk und ein Stasi-Wachregiment das Geschehen. 1991 wurde mit dem Aufbau der Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien begonnen

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Bis 1930

1909 gewinnt Hans Grade mit der selbst konstruierten „Libelle“ den „Lanz-Preis der Lüfte“ (ein Nachbau hängt heute im Hans-Grade-Saal in Adlershof); 1912 Gründung Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL), Vorgänger des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR); Versuchsanlagen wie der Motorenprüfstand, der Windkanal oder der Trudelturm entstehen.

1920 bis 1930
In der Johannisthaler Filmanstalt (Jofa-Studios) werden 400 Filme gedreht, darunter „Nosferatu“.
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Nach 1945

Hochsicherheitseinrichtungen an – darunter die Akademie der Wissenschaften der DDR und ein Wachschutzregiment der Staatssicherheit.
1952 strahlt der Deutsche Fernsehfunk (DFF) erstmals sein öffentliches Versuchsprogramm vom neuen Sendezentrum aus.
Erste Institute werden angesiedelt, darunter das Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung. Die DDR-Akademie der Wissenschaften ist mit Instituten unter anderen für Chemie, Optik, Spektroskopie, Informatik, Physik und Kosmosforschung vertreten.

Nach 1989

1990 Auflösung des Stasi-Wachregiments „Feliks Dzierzynski“.
1991 Gründung einer Gesellschaft (heute: WISTA) zum Aufbau eines Technologieparks. Beschluss, den Elektronenspeicherring BESSY II in Adlershof zu bauen.
1992 Beschluss des Berliner Senat zum Aufbau des Technologieparks. Den Kern bilden zunächst acht aus der DDR-Akademie ausgegründete Institute.

1994
weist das Land Berlin das Gelände als städtebauliches Entwicklungsgebiet aus und lässt es seither auf Grundlage eines städtebaulichen Gesamtplans entwickeln.

Ab 1994

Zwischen 1991 und 2013 errichtet die WISTA-Management GmbH fünf Technologie- und zwei Gründerzentren.

1998 bis 2003
erfolgt die Errichtung des naturwissenschaftlichen Campus der Humboldt-Universität zu Berlin.
2005 Anschluss an die neue Bundesautobahn A 113.

2010
Verlängerung der Straßenbahn in die Wissenschaftsstadt.

2010 bis 2016
Planung und Bau des Wohngebiets „Wohnen am Campus“ mit 1.300 Wohneinheiten.
Weiterführender Link zur Geschichte von Adlershof hier
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